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Mehrfamilienarbeit in der stationären Kinder- und Jugendhilfe (§34 SGB VIII)


Eltern, die ihre Kinder in die Obhut einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung geben, haben häufig einen langen Weg des Scheiterns und der Misserfolge hinter sich. Die Erfahrung, dass sie im Kontakt mit ihren Kindern wirksam sein können ist häufig tief verschüttet, oft ist das Vertrauen in ihre elterlichen Kompetenzen kaum noch vorhanden.

Die Erfahrung in unseren familienaktivierenden Wohngruppen zeigt, dass Kinder dann gut unterstützt werden können, wenn Eltern und Familiensysteme als Partner im Erziehungsprozess sehr eng in die Arbeit eingebunden sind, diese am Alltag der Kinder teilhaben, und unsere Arbeit an den Bedarfen der Familienmitglieder ausgerichtet ist.

Hierfür bietet die Mehrfamilienarbeit einen idealen Zugang. Mit gruppendynamischen, kreativen, ressourcenorientierten und systemischen Interventionen sowie psychoedukativen Elementen ist die Mehrfamilienarbeit hervorragend dafür geeignet, eigene Ressourcen und Fähigkeiten (wieder) zu entdecken, Selbstwirksamkeit zu erleben und soziale Isolation zu überwinden.

Die Mehrfamiliengruppe der stationären Wohngruppen trifft sich – je nach konzeptioneller Ausrichtung – in 14-tägigen bis vierteljährlichen Zyklen innerhalb oder außerhalb der Räumlichkeiten der Wohngruppe. Grundsätzlich besteht die Idee, möglichst häufige Settings oder – beispielsweise bei Multifamilienwochenenden – eine höhere Intensität zu ermöglichen. Für Rahmung und Prozess der Mehrfamilienarbeit sind die Mehrfamilientrainer*innen verantwortlich.

Auch in der Verbindlichkeit gibt es Unterschiede. Familien, bei denen eine konkrete Rückführung der Kinder beabsichtigt ist, müssen eher verbindlich an der Gruppe teilnehmen, da hier oftmals der Schutzauftrag im Fokus steht. Bei langfristigen Betreuungssituationen ohne Rückführungsperspektive geht es oft eher darum, einen guten Kontakt wiederherzustellen und zu einer positiven Grundbereitschaft zur Kooperation mit der Wohngruppe zu motivieren.

Wiederkehrende Themen, die in der Mehrfamiliengruppe bearbeitet werden, sind die hoch belasteten Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern, häusliche Gewalt, Unklarheit in der Rollenstruktur (Eltern-Kind-Rolle), sowie Kommunikation und Interaktion innerhalb der Familie.

Während des MFT Prozesses erleben Familien andere Familien in gleicher oder ähnlicher Situation, sie sehen eigenes Verhalten in den anderen „gespiegelt“ und nehmen kritische Punkte als solche wahr. Dabei erleben die Familien ein hohes Maß an Solidarität und gegenseitiger Unterstützung. Dies ermöglicht ihnen, eigene Fähigkeiten und Ressourcen zu entdecken sowie alternative, familieneigene Lösungen zu entwickeln und im geschützten Rahmen der Mehrfamiliengruppe einzuüben.

Mit gestärktem Selbstvertrauen und der Erfahrung von Selbstwirksamkeit können Eltern im Laufe des Prozesses zunehmend Verantwortungsbereiche für ihre Kinder übernehmen und, je nach Zielsetzung, auch an der Rückführung ihrer Kinder arbeiten.

Damit stellt die Mehrfamilienarbeit im stationären Kontext der Jugendhilfe eine hervorragend geeignete Methode partizipativer Heimerziehung dar, bei der Eltern und Kinder erleben, dass die Beziehungen innerhalb der Familie durch die gemeinsame Arbeit an den Familienthemen eine sichere Basis bekommen.