MFT in Zeiten von Corona – ein Erfahrungsbericht

Zu Beginn der Pandemie vor dem ersten Lockdown musste MFT sehr kreativ werden, um gruppendynamische Prozesse in Gang zu halten. Der Focus musste zusätzlich auf die Hygienemaßnahmen sowie Abstandsregeln gelegt werden. Dies forderte die MFT Trainer*innen sehr stark, denn gleichzeitig sollte MFT weiterhin von seiner Spontanität, Kreativität und auch Aktivität in der Gruppe inspiriert bleiben. Bei allem Engagement wurde MFT zur MFT light oder MFT „mit angezogener Handbremse“.

Dann kam im März der erste Lockdown. Was sollte aus den MFT-Gruppen werden, wie konnte es weitergehen? Die meisten Gruppen pausierten und einige machten sich nach und nach online auf den Weg.

Viele technische Fragen wie die nach geeigneten Onlineplattformen sowie eine entsprechende datenschutzrechtliche Absicherung standen im Raum. Und die Hauptfrage: geht MFT online überhaupt – so distanziert – und bringen die Familien ausreichend Motivation und technische Ausstattung mit?

Bei uns entwickelte sich allmählich die Haltung: besser online als gar nicht und: Versuchen wir es auf diesem Weg!

In der Familienklasse nutzten wir die bestehende Softwarestruktur über das kreiseigene Programm. Dies war datenschutzrechtlich abgesichert und hatte den weiteren Vorteil, dass sich die Familien bereits damit auskannten.

Im Rahmen des SPFH Moduls MFT nutzten wir die vom Arbeitgeber bereitgestellte Online Plattform.

Da alle Plattformen auch über das Handy genutzt werden können, konnten alle Gruppenmitglieder problemlos daran teilnehmen.

Obwohl zuvor in beiden Gruppen nur wenige Präsenztermine stattgefunden hatten, waren alle Gruppenmitglieder bereit, den Online-Versuch zu starten. Die Familienklasse fand online am selben Tag und begann zur gleichen Uhrzeit wie zuvor in Präsenz in der Schule.

Aufgrund des Alters der Kinder in beiden Gruppen war die Dauer der Onlinetermine begrenzt. Als der Präsenzunterricht wiederbegann, teilten wir die Gruppe in eine Eltern- und Kindergruppe. Die Elterngruppe fand weiterhin am Vormittag, die Kindergruppe nachmittags statt. Die Eltern konnten diesen intensiveren Austausch untereinander nutzen. Sie wurden sehr schnell sehr vertraut miteinander und konnten ihre Themen intensiv besprechen. Dabei war es wichtig, die Gesamtentwicklung der Familien immer wieder im Rahmen der Pandemie zu betrachten. Durch die Kontaktbegrenzung auf die eigene Familie zeigten sich die familiären Themen teilweise deutlicher und verstärkt. Zu Beginn wurden Familienaufträge konsequent miteinander gemacht und in beiden Gruppen vorgestellt. Mit der Zeit und der andauernden familiären Herausforderung wurde es schwieriger für die Familien, neben den beruflichen, schulischen und familiären Herausforderungen regelmäßig die Familienaufträge zu schaffen. Daher erteilten wir keine wöchentlichen Aufträge mehr und reagierten flexibel auf die sich immer wieder veränderten Situationen. Alles wurde transparent und offen mit den Eltern besprochen.

Der Familienklassenplan wurde etwas umgestaltet und auf die Homeschoolingsituation angepasst. Hier konnten sich die Kinder nun selbst einschätzen und sich Punkte für ihre Arbeit an den Zielen geben. Dies wurde zu Beginn als interessant und spannend von den Kindern empfunden, mit zunehmendem Homeschooling nahm bei Kindern und Eltern die Motivation ab. Als einige Kinder dann wieder die Schule besuchten, während andere noch zu Hause beschult wurden, entstand über den Familienklassenplan außerdem eine Schieflage. Mittlerweile nehmen die Kinder ca. vierzehntägig eine Selbsteinschätzung im Rahmen des Familienklassenplans vor.

Es wurde deutlich, dass sich die Themen mit anhaltendem Homeschooling veränderten: weniger bewerten der Zielearbeit zu mehr Beziehungsarbeit zwischen Kindern und Eltern. Die familiären Themen zeigten sich deutlicher: Ängste, Konflikte auf der Paar- und Elternebene, Rollenunsicherheiten der Eltern bei Übernahme der Lehrerrolle zu Hause, Nähe / Distanz, Geschwisterkonflikte.

Die fehlenden Außenkontakte innerhalb der Familie, gebremstes Autonomiebestreben der Kinder, nicht stattfindende Hobbies, keine Ablenkung innerhalb einer insgesamt sehr verunsichernden Pandemiesituation…

Die Onlinetermine konnten besonders von den Eltern genutzt werden zum Austausch, als Außenkontakt und Reflektionsmedium. Für die Eltern war im Rahmen der Pandemie besonders wichtig wahrzunehmen, dass sie nicht alleine sind mit Schwierigkeiten und bereits überwunden geglaubte Schwierigkeiten sich in der Ausnahmesituation erneut zeigten. Es entstand sehr schnell ein großes Vertrauen in den Gruppen und der Austausch wurde als besonders hilfreich empfunden.

Die Kinderrunde war zeitweise auch die einzige Möglichkeit, um Kontakte zu anderen Kindern wahrnehmen zu können. Die Kinder freuten sich, sich online zu sehen und waren motiviert, Familienklassenpläne sowie Familienaufträge vorzustellen und gemeinsam mit allen zu spielen (Pantomimespiele visuell und akustisch) und von ihrer Woche zu erzählen.

Ähnlich zeigte sich die Entwicklung auch in der MFT Gruppe im Rahmen des SPFH Moduls. Da die meisten Kinder hier Kitakinder sind, hat die Gruppe gemeinsam begonnen, die Kinder konnten ihnen wichtige Dinge der Gruppe zeigen und sofern altersbedingt möglich erzählen, wie ihre Woche war. Danach durften sie das Gruppensetting verlassen und die Eltern tauschten sich ähnlich wie in der Elternrunde der Familienklasse aus. In dieser Gruppe gab es mehr Alleinerziehende, die Situation war hier insgesamt noch stärker belastet.

Zu Beginn findet immer ein Rückblick der Woche statt und eine Reflektion, inwieweit in der Gruppe Besprochenes in den Familienalltag der einzelnen Familien hineingewirkt hat.

Online-MFT führt in die Wohnungen und Häuser der Familien, Kinder zeigen ihre Zimmer, wenn sie möchten und Interaktion findet im häuslichen Umfeld statt. Der befürchteten Distanz innerhalb des MFT-Settings zeigt sich Online eine neue Nähe, die ebenso in den Prozess eingebunden werden kann wie in Präsenztreffen. Und MFT-Online hält Kontakt und kann Gruppenbeziehungen aufrechterhalten, bis Präsenz wieder möglich sein wird. Sie ist eine Brücke im social distancing und kann als konstante Ressource neben den vielen Kontaktabbrüchen wirken.